Wenn wir die Dynamik innerhalb von Familien untersuchen, konzentrieren wir uns oft auf das Verhalten von Eltern und Kindern. Wir analysieren die Temperamentsmerkmale der Kinder, erkunden ihre individuellen Erziehungshintergründe sowie die Kindheit der Eltern. Unser Augenmerk liegt vor allem auf zwischenmenschlichen Beziehungen, während andere Einflussfaktoren oft vernachlässigt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Rolle des Raumes als Erzieher, wie es in der Reggio-Pädagogik betont wird. Diese Perspektive betrachtet die Raumgestaltung als einen entscheidenden Faktor, der Bildungsprozesse und Interaktionen maßgeblich beeinflusst. Ähnlich wie in außerfamiliären Umgebungen müssen wir jedoch auch innerhalb der Familie die Vielzahl anderer Faktoren berücksichtigen, die die Erziehung beeinflussen können: räumliche Gegebenheiten, finanzielle Ressourcen, Stadtplanung und natürlich auch Zeit.
Die Zeit, die uns zur Verfügung steht – oder eben nicht zur Verfügung steht – beeinflusst maßgeblich unser Handeln im Umgang mit unseren Kindern. Wie wir mit einem Wutanfall umgehen können, hängt davon ab, wie viel Zeit uns zur Verfügung steht. Unter Zeitdruck reagieren viele Eltern möglicherweise weniger geduldig und drängen ihr Kind eher dazu, sich zu beeilen, möglicherweise sogar mit erhobener Stimme. Auch unsere Interaktionen bei alltäglichen Handlungen sind von Zeitmangel beeinflusst. Je weniger Zeit wir haben, desto grober und weniger einfühlsam können wir sein, was wiederum zu Widerstand seitens des Kindes führen kann.
Zeitmangel kann auch zu Schlafmangel führen, was wiederum die Interaktion innerhalb der Familie beeinträchtigt. Schlafmangel wirkt sich nicht nur auf unsere körperliche und psychische Gesundheit aus, sondern auch auf unsere soziale Interaktion und unsere Fähigkeit, feine Signale wahrzunehmen. Müdigkeit kann dazu führen, dass wir weniger aufmerksam sind und insgesamt gereizter reagieren.
Selbst die Auseinandersetzung mit unserer eigenen Kindheit und unseren Erziehungserfahrungen wird durch Zeitmangel erschwert. Die Zeit, die benötigt wird, um diese Aspekte zu reflektieren, ist oft knapp bemessen. Wir brauchen Zeit, um uns mit unserer eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen, um Literatur über alternative Erziehungsmethoden zu lesen, uns beraten zu lassen oder uns mit anderen Eltern auszutauschen. Es erfordert Zeit, um neue und andere Wege in der Erziehung zu gehen.