Übergänge prägen unser Dasein. Es sind die großen, lebensverändernden Übergänge wie Umzüge, Trennungen oder Schulwechsel, aber auch die unzähligen kleinen Übergänge des Alltags, wie das Aufstehen am Morgen, das Verlassen des Hauses oder das Abschiednehmen am Kindergarten. Manche dieser Übergänge meistern wir mühelos und mit Freude, während andere uns belasten können. Wir geraten unter Stress und beginnen manchmal, sie zu umgehen.
Wahrnehmung und Bewältigung von Übergängen
Als Erwachsene nehmen wir viele Übergänge im Alltag kaum bewusst wahr. Sie verschwinden für uns im Hintergrund, da wir mit zunehmender Erfahrung wissen, was uns erwartet. Wir können vorsorgen, uns vorbereiten und Routinen entwickeln.
Für Kinder hingegen können selbst die alltäglichsten Übergänge, die für uns unscheinbar sind, neu, aufregend und herausfordernd sein. Sie suchen in unserem gemeinsamen Alltag nach Strategien für diese Übergänge und haben Ideen, wie sie verschiedene Situationen bewältigen könnten. Diese Ideen entsprechen nicht immer unseren Plänen, den Regeln oder den Erwartungen anderer. Oftmals erscheint das Verhalten des Kindes uns zunächst rätselhaft, und wir finden uns in wiederholten Konflikten wieder. Häufig ist uns im Nachhinein nicht einmal klar, was den Streit ausgelöst hat.
Unterstützung des Kindes
Bei jedem Übergang erleben Kinder, ebenso wie wir alle, ein Wechselbad der Gefühle, von Freude bis Frustration. Deshalb benötigen sie unsere Unterstützung, um in einem sicheren Umfeld zu erfahren, wie sie ihre Emotionen regulieren können und welche Verhaltensweisen ihren Bedürfnissen am besten gerecht werden.
Aber reagiere ich nicht über?
Manchmal ist es für Eltern schwer, diese Position des Schutzes einzunehmen: Vielleicht halten mich andere dann für einen Helikopter-Elternteil? Es ist allerdings wichtig, dass du dir hier vor Augen führst, dass es um ein Problem des Kindes geht und es dem Kind aktuell schlecht geht. Deine persönlichen Unsicherheiten sollten an dieser Stelle nicht die Not deines Kindes überschatten und sind ein Thema, dem du dich gesondert von der aktuellen Situation stellen solltest.
Gegenüber Anderen ist es wichtig, eine klare Haltung einzunehmen. Das ist nicht immer einfach, wenn dein Kind beispielsweise von dem Kind deiner Freundin ausgeschlossen wurde oder Lehrende in der Schule erklären, dein Kind hätte ja einfach selber kommen können, wenn es ein Problem hat. Es kann viele Gründe geben, warum sich dein Kind anderen nicht anvertraut hat, aber den eigenen Eltern. Auch hier ist es wichtig, die Schutzfunktion einzunehmen und dafür einzustehen, lösungsorientiert und respektvoll mit dem Problem umzugehen.
Gemeinsam Lösungen suchen
Viele Eltern denken, dass Kinder ihre Probleme schon unter sich lösen können. Leider ist dies nicht immer der Fall: Kinder sind unterschiedlich, haben unterschiedliche Temperamente. Einige Kinder sind extrovertierter, andere introvertierter. Konflikte nicht zu begleiten und gute Konfliktlösungsstrategien nicht aufzuzeigen, würde die Dominanz der stärkeren, extrovertierteren Kindern stärken. Kinder müssen jedoch lernen, Konflikte gerecht auszutragen und müssen Konfliktlösungsstrategien verinnerlichen. Das bedeutet, dass introvertiertere Kinder durch Begleitung lernen dürfen, wie sie ihre Meinung einbringen können und für ihre Bedürfnisse und Gefühle einstehen dürfen, während andere Kinder lernen müssen, anderen auch Raum für deren Meinung zu überlassen und manchmal einen Schritt zurück zu treten und sich zu beruhigen. Dies lernen Kinder durch unser Vorbild, aber auch durch Anleitung. Kinder brauchen Konfiktbegleitung durch ihre Bezugspersonen, um nach und nach über Jahre zu lernen, wie sie gut mit Problemen und Konflikten umgehen zu können.
Wenn Ausgrenzungen oder Beleidigungen immer wieder auftreten
Wenn Ausgrenzungen, Beleidigungen oder auch körperliche Gewalt immer wieder auftreten, kann man von Mobbing sprechen. Da Mobbing oft erst recht spät von Erwachsenen als solches erkannt wird, ist es wichtig, dass schon bei obigen Problemen eingegriffen wird, damit sich die Gewalt gegenüber dem Kind nicht normalisiert. Kinder, die von anderen angegriffen werden, tragen keine eigene Schuld am übergriffigen Verhalten der anderen – der gegenteilige Gedanke ist Teil des Problems, dass das Mobbing erst spät in seiner Tragweite bemerkt wird: Wird dem Kind immer wieder vermittelt “Naja, wenn wir ehrlich sind, hast du ja auch…” ist das eine Täter-Opfer-Verschiebung. Wichtig ist, dass das betroffene Kind von den nahen Bezugspersonen Verständnis, Sicherheit und Unterstützung erhält. Das Kind kann sich aus dieser Situation in der Regel nicht selbst befreien. Es ist gut, zunächst mit dem Kind in das Gespräch zu kommen darüber, was es selbst will. Darüber kann dann überlegt werden, welche weiteren Hilfen in Anspruch genommen werden sollten: Oft muss das pädagogische Personal in Kita/Schule einbezogen werden, das als Bezugsperson ebenso für den Schutz des Kindes zuständig ist. Eventuell gibt es vor Ort auch sichere Bezugspersonen, die das Kind schützen und unterstützen können. Darüber hinaus kann psychologische Unterstützung bis hin zu rechtlichem Beistand notwendig sein (je nach Schwere und Situation). Auch spezielle individuelle Mobbingberatung gibt es, wie auch Workshops für Schulklassen.
Der erste Schritt für uns Erwachsene ist die bewusste Wahrnehmung von Übergängen, der damit verbundenen Gefühle und unserer eigenen Bewältigungsstrategien. Hierfür sind nicht unbedingt komplexe oder schwierige Übergänge erforderlich. Wir können aus jedem Übergang lernen, welche Maßnahmen uns helfen.
Es ist wichtig zu erkennen, dass jeder Übergang einen Anfang und ein Ende hat und dass alle Beteiligten Beginn und Abschluss unterschiedlich wahrnehmen können. Dies hängt unter anderem davon ab, wie gut wir über die Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit dem Übergang informiert sind: Beginnt der Übergang mit der Planung und Vorbereitung eines Ausflugs oder mit dem Verlassen des Hauses? Klare Absprachen über den Ablauf und die Zuständigkeiten können dazu beitragen, dass Übergänge für alle transparent sind und Konflikte vermieden werden.
Erwartungen und Wahrnehmung von Übergängen
Die Wahrnehmung und Bewertung von Übergängen hängt von unserer individuellen Perspektive und unseren Lebensumständen ab. Es kann hilfreich sein zu hinterfragen, was wir über einen bestimmten Übergang wissen, woher unsere Informationen stammen und welche Erwartungen wir haben. Die Klarheit darüber, wer welchen Übergang für die Erfüllung seiner eigenen Bedürfnisse benötigt, kann uns dabei helfen, empathisch mit unseren eigenen und den Gefühlen der Kinder umzugehen. Wenn wir lernen, unsere Bedürfnisse während eines Übergangs zu erfüllen, werden wir gelassener und kreativer im Umgang mit Konflikten.
Reflexion nach dem Übergang
Wie im Projektmanagement oder im Profisport lohnt es sich, während und nach einem Übergang zu reflektieren. Kinder profitieren davon, wenn sie sehen, wie wir Situationen analysieren, alternative Handlungsmöglichkeiten entwickeln und sie aktiv daran teilhaben lassen. Je nachdem, wie unser Alltag aussieht, haben wir mehr oder weniger Raum und Zeit für diese Reflexionen. Hier ist eine Übung für zwischendurch:
Nachricht an mein früheres Selbst
Denke an einen kleinen, alltäglichen Übergang der letzten Stunden und teile sie deinem früheren Ich in einer Nachricht, einer kurzen Notiz oder einer Sprachnachricht mit. Diese Fragen könnten dir dabei helfen:
– Was hätte ich gerne zum Zeitpunkt des Übergangs gewusst?
– Was hat mir an meinem Verhalten gefallen?
– Wer oder was hat mir in der Situation geholfen?
– Welche Ratschläge würde ich meinem früheren Ich geben?
Je öfter wir einen Übergang erleben, desto besser lernen wir, für uns selbst zu sorgen. Solche Übungen helfen uns dabei, unsere Anteile bei der Erfüllung unserer eigenen und der Bedürfnisse der Kinder zu erkennen. Wir können gezielt Ideen und Strategien sammeln und so mit Klarheit und Flexibilität den Herausforderungen in zukünftigen Übergängen begegnen.