Ist es möglich, dass Kinder eine Überfülle an Spielzeug besitzen? Auf den ersten Blick mag dieser Gedanke schlüssig erscheinen: Je mehr Spielzeug ein Kind hat, desto besser sollte es in der Lage sein, sich alleine zu beschäftigen, und desto schneller sollte es die Funktionsweise der Welt erlernen, oder? Aus diesem Grund erwägen Eltern oft, ob sie möglicherweise zusätzliches Spielzeug kaufen sollten, um sicherzustellen, dass ihr Kind besser alleine spielen kann, sich intensiver beschäftigt und besser gefördert wird. Vielleicht ist die Auswahl einfach zu begrenzt, und das Kind langweilt sich?
Die Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse des Kindes lenken
Es ist von entscheidender Bedeutung, die aktuellen Interessen und die gegenwärtige Entwicklung deines Kindes zu berücksichtigen, wenn es um Spielzeug geht. Oftmals spielen Kinder Themen nach, die sie gerade beschäftigen: Es geht um den Kampf zwischen „Gut und Böse“, Ritter kämpfen gegen Drachen, soziale Situationen werden nachgestellt oder Alltagserfahrungen und Rollenbilder werden nachgeahmt. Dein Kind übt fein- oder grobmotorische Fähigkeiten, möchte vielleicht besonders viel Seilspringen oder über Hindernisse balancieren.
Die aktuellen Interessen deines Kindes geben Einblick in seine aktuelle Entwicklung und die Themen, die es beschäftigen. Es ist wichtig für dein Kind, dass diese Bedürfnisse erkannt und erfüllt werden.
Mehr ist nicht unbedingt besser
Der Irrglaube besteht jedoch darin zu denken, dass mehr Spielzeug automatisch besser ist. Eine Untersuchung der Universität Toledo zeigte, dass weniger Spielzeug zu konzentrierterem und kreativerem Spiel führte als ein Überangebot an Spielzeug. Zum Beispiel besitzt ein durchschnittliches 10-jähriges Kind in Großbritannien etwa 238 verschiedene Spielzeuge (nicht einzelne Bausteine, sondern komplette Spielzeugsets) im Wert von etwa £6,500. Dennoch ergab eine Studie, dass 8 von 10 Kindern nur mit höchstens 20 Spielzeugen aus der gesamten Auswahl tatsächlich spielen. Einige Kinder werden durch die große Auswahl eher abgelenkt, andere weniger. Tatsächlich benötigen Kinder keine übermäßige Auswahl an Spielzeugen.
Vielfältige Spielangebote
Wenn zu Hause viele Spielsachen vorhanden sind, können die Materialien regelmäßig ausgetauscht werden: Ein Teil der Spielsachen kann im Keller gelagert oder mit anderen geteilt werden, um immer wieder neue Impulse zu setzen. Dann kannst du gemeinsam mit deinem Kind aussortieren: Spielst du wirklich noch damit oder können wir es für eine Weile beiseite legen, bis du wieder damit spielen möchtest? Dabei ist es wichtig, dass dein Kind darauf vertrauen kann, dass die Spielsachen wieder zurückkommen. Drohungen, Spielsachen wegzuwerfen, weil beispielsweise nicht aufgeräumt wurde, erschweren das Vertrauen. Es sollte generell vermieden werden, damit zu drohen, Spielsachen einfach zu verschenken oder wegzuwerfen.
Bei der Auswahl von Spielzeugen im Kinderzimmer sollte weniger Wert darauf gelegt werden, dass es 100 verschiedene Spielzeugautos oder viele verschiedene Kuscheltiere gibt, sondern vielmehr darauf, eine Vielfalt an Spielmöglichkeiten anzubieten: etwas zum Bauen, etwas für Rollenspiele, etwas zum Erlernen von Regeln und Zusammenarbeit wie Brettspiele usw. Auf diese Weise hat dein Kind die Möglichkeit, verschiedene Entwicklungsbereiche im Spiel zu fördern und sich spielerisch die Welt anzueignen.
Auch viele Kindertagesstätten setzen immer wieder auf Zeiten ohne Spielzeug, um die soziale Interaktion und Fantasie der Kinder anzuregen und herauszufinden, welche Materialien gerade wirklich interessant sind.
Die falsche Vorstellung vom beschäftigten Kind
Viele Eltern glauben, dass ihre Kinder sich besser beschäftigen würden, wenn sie mehr Spielzeug hätten. Doch Kinder sind soziale Wesen. Sie lernen zwar viel durch das Spiel, aber auch wesentlich durch das Zusammensein mit anderen Menschen – jeden Alters. Es ist unrealistisch zu erwarten, dass Kinder über lange Zeiträume alleine und ruhig im Kinderzimmer spielen. Zwar gibt es solche Phasen und es gibt auch Kinder, die lieber allein spielen als andere, aber viele Kinder wünschen sich Gesellschaft und spielen nicht über lange Zeiträume allein entspannt.
Du musst nicht ständig die Rolle des Spielkameraden übernehmen. Du kannst das Spiel mit anderen Kindern nicht ersetzen, weil du als Erwachsener anders denkst und handelst. Du kannst jedoch für gemeinsame Aktivitäten mit anderen Kindern sorgen und dein Kind in deinen Alltag einbeziehen – auch das kann oft spielerisch geschehen.
Unser Alltag lässt uns oft zu wenig Zeit für die vielen Dinge, die wir als Eltern erledigen müssen, und zu wenig Zeit für gemeinsame Aktivitäten. Das ist ein strukturelles Problem. Gleichzeitig plagt uns das schlechte Gewissen, wenn wir nicht mit unseren Kindern spielen wollen oder können. Manchmal denken wir, dass noch mehr Spielzeug die Lösung wäre. Doch mehr Spielzeug bedeutet nicht zwangsläufig, dass Kinder glücklicher, intelligenter oder intensiver spielen.
Spielen ist von enormer Bedeutung für unsere Kinder: Sie brauchen Zeit, Raum und die Möglichkeit, sich mit dem zu beschäftigen, was sie gerade interessiert.